Frühe Kindheit – geborgen aufwachsen
Ein Einblick in den Waldorfkindergarten

Ungewöhnlich und schön steht ein Birkenstamm mitten im Raum der Wichtelstube. Auf Schaffellen krabbeln die Kleinsten umher, entdecken mit ihren Händen Naturmaterialien, bauen Landschaften aus Holz und Wollkugeln und genießen das Lichtspiel aus gelben und rosa Farbtönen, welches den Raum durchflutet. Der runde Lehmofen und die Holzmöbel zeigen, dass die Auswahl der Materialien, der Formen und Farben zum pädagogischen Konzept gehören und auf sie besonderer Wert gelegt wird. Wir sind in der Wichtelstube des Waldorfkinderhauses Michael zu Besuch, in der hauseigenen Kinderkrippe.
Damit Eltern ihrem Berufsleben nachgehen können, werden Kinder schon früh in die Obhut von Kindertagesstätten gegeben. Ein liebvolle Begleitung und Tagesbetreuung soll es sein. Ein Ort, wo die Kinder sich sicher fühlen und verlässlich eine Atmosphäre der Geborgenheit spüren. Das Bedürfnis, um sich herum einen sicheren Raum zu spüren, ist elementar – im übrigen für alle Entwicklungsstufen des Menschen.

Für eine stabile und gesunde emotionale Entwicklung der Jüngsten ist das Gefühl von Geborgenheit die allerwichtigste Grundlage, ob Zuhause oder in der Krippe. Ausreichend Zeit und Raum für ihre individuelle Entwicklung braucht es ebenso. „Wir wollen mit unserem rhythmischen Tagesablauf, unseren Anregungen der Sinne und der Sprache, durch Singen und mit Finger- und Handgestenspielen beste Voraussetzungen dafür schaffen.“ betont die Leiterin Kerstin Rüberg.
Da das Prinzip der Nachahmung des Kindes am Vorbild des Erwachsenen wichtig ist, nimmt die Beziehung des Kindes zur Betreuerin oder zum Betreuer eine zentrale Rolle ein. Ideal ist auch ein enges Zusammenspiel zwischen den Eltern und den Waldorfkindergärten. Denn darüber entsteht ein familienergänzendes Umfeld, das Vertrauen und Geborgenheit ausstrahlt.

Erforschen und Entdecken ist wichtig. Beim freien Spiel können die Kinder hier drinnen oder draußen im Garten ihrer Neugierde nachgehen. Fantasieanregende und vielseitig einsetzbare Spielmaterialien sind in jeder Ecke zu finden. Zum Tagesablauf gehören die gemeinsame Zeit im Garten, das freie Spiel, die Pflege, die Mahlzeiten und das Schlafen. Bekannt ist aus der Waldorfpädagogik, dass auf Rhythmus viel Wert gelegt wird. Er gibt den Kindern Orientierung und Vertrauen und sie können in die Umgebung und ihr Spiel verlässlich eintauchen. Inzwischen ist es ganz still geworden. Im kuscheligen Schlafraum werden Wiegenlieder gesungen. So gestaltet sich ein Tagesablauf.

Auch auf die Kleinkindpädagogik von Emmi Pickler wird hier großer Wert gelegt. Die ungarische Kinderärztin entwickelte sehr liebevolle und von Achtsamkeit geprägte vier Prinzipien. Es geht um Respekt vor der Eigeninitiative des Kindes und die Unterstützung seiner Selbständigkeit, um die Unterstützung einer persönlichen Beziehung des Kindes zu vertrauten Bezugspersonen; um das Bestreben, dass sich jedes Kind angenommen und anerkannt fühlt und die Förderung des optimalen körperlichen Wohlbefindens und der Gesundheit des Kindes. So können die Kleinsten gut und geschützt in das Miteinander außerhalb ihrer Familie hineinwachsen.
Katharina Wyss
In Göttingen gibt es drei Waldorfkindergärten mit aktuell zwei Krippengruppen. Der Waldorfkindergarten in Bovenden eröffnet seine dritte Gruppe 2020. In Göttingen-Weende befindet sich neben dem Waldorfkinderhaus Michael auch die Waldorfschule Göttingen. Die Waldorfpädagogik, die vor 100 Jahren begründet wurde, ist für die Freie Waldorfschule Göttingen ein doppeltes Jubiläumsjahr, denn sie feiert zugleich ihren 40jährigen Geburtstag.
Waldorfkinderhaus Michael, Arbecksweg 7, 37077 Göttingen, www.waldorfkinderhaus-michael.de // Waldorfkindergarten, Wurzelbruchweg 5, 37120 Bovenden, www.waldorfkindergarten-bovenden.de // Waldorfkindergarten Göttingen, Stargarder Weg 11, 37083 Göttingen, www.waldorf-kiga.de //