Katja Schmierer über den Handarbeitsunterricht an der Waldorfschule
Ist Handarbeit auch Bildung?
Was umfasst das Fach Handarbeit?
Wenn der Waldorfschüler die zehn Jahre Handarbeit durchläuft, kann er sich im Grunde komplett einkleiden – von der Mütze zum Schal bis hin zu den Schuhen. Allerdings geht es bei uns in erster Linie gar nicht darum, was gelehrt wird, sondern eher um das Warum.
Warum wird das Fach Handarbeit gelehrt?
Zusammen mit den musischen und handwerklichen Fächern bildet es eine wichtige Säule im Waldorfunterricht. Viele Sinne werden angesprochen. Wir möchten auch, dass in den Unterstufenklassen beide Hände gleich geschickt werden. Das macht die Finger sensibel und sorgt dafür, dass die Kinder später auch besser schreiben können.
Die Handarbeit wirkt sich also auf die Entwicklung der Kinder aus?
Der Lehrplan ist so konzipiert, dass die Handarbeitstechnik auch in die Entwicklungsstufe der Schüler passt. Deswegen fangen wir in den ersten Lehrjahren mit dem Stricken oder dem Filzen von Bällen an. Ein Siebtklässler hingegen möchte lieber tatkräftig arbeiten. Da werden Schuhe aus Leder gefertigt und das Material wird mit einem Hammer und einer Stechahle bearbeitet.
Wie werden Kinder aufgefangen, denen die praktische Arbeit nicht liegt?
Bei Schülern, die sich im laufenden Schuljahr schwer mit einer Aufgabe tun, reagiere ich. Also passe ich die Aufgabe an die Fähigkeit der Schüler an. Ich möchte, dass sie gern zur Handarbeit kommen und ein Erfolgserlebnis haben.
Wie können die Kinder bei der Handarbeit ihre eigenen Kreativität ausleben?
Grundsätzlich wird immer eine Aufgabe vorgegeben, die auch erfüllt werden soll. Die Gestaltung überlasse ich allerdings den Kindern. Das ist mir auch ganz wichtig.
Wird die Wertschätzung zu Dingen, die man selbst herstellt, erhöht?
Da bin ich ganz sicher. Auch wenn es in den ersten Jahren noch nicht so deutlich wird, bringe ich den Kindern etwas fürs Leben bei. Das beginnt vor allem ab der 8. Klasse, direkt über Gespräche zu aktuellen Themen. Außerdem werden angefangene Arbeiten auch immer beendet, damit die Kinder lernen diese zu schätzen.
Ist Handarbeit auch Bildung?
Fingergeschicklichkeit und Feinmotorik werden gefördert. Darüber hinaus ist wissenschaftlich bewiesen, dass durch die Bewegungen in der Handarbeit das Gehirn ausgebildet wird. Die Wertschätzung für die Dinge wird gestärkt und lebenspraktische Tätigkeiten gelehrt, wie einen Knopf annähen oder Socken flicken. Auch das Bewusstsein für verschiedene Naturmaterialien und Fair Trade wird für das spätere Leben gestärkt.
Die Erzieherin hat vor 14 Jahren die Ausbildung zur Handarbeitslehrerin absolviert. Als die Stelle an der Waldorfschule vor sieben Jahre frei wurde, hat sie sofort die Initiative ergriffen. Neben dem Fach Handarbeit lehrt sie noch Kostümbildung und Werken. Die Lehrerin hat Spaß am Umgang mit unterschiedlichen Materialien und möchte ihre Leidenschaft an die Schüler weitergeben.